Die Preisträger*innen
des Wilhelm-Lehmbruck-Preises

 

Der spanische Bildhauer Eduardo Chillida (1924-2002) war 1966 der erste Preisträger des Wilhelm-Lehmbruck-Preises. Er gilt als einer der wichtigsten spanischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts und wurde durch seine monumentalen abstrakten Werke aus Stahl bekannt, von denen viele im öffentlichen Raum platziert sind - so etwa sein in Deutschland vielleicht bekanntestes Werk, die Gruppe „Einheit“ vor dem Kanzleramt in Berlin. Auch das Lehmbruck Museum besitzt Werke des Künstlers.

Fünf Jahre später, im Jahr 1971, folgte mit dem in Düsseldorf geborenen Norbert Kricke (1922-1984) ein Künstler, der sich konsequent von den figurativen Plastiken seiner künstlerischen Anfangszeit der Abstraktion verschrieben hat. Aus gebogenem Draht und Gestänge schuf Kricke einfache raumeinnehmende Skulpturen wie die Raumplastik „Hornisse“ (1955), die sich im Besitz des Lehmbruck Museums befindet. Zahlreiche Werke von Kricke sind im öffentlichen Raum zu finden, darunter die „Mannesmannplastik“ in Düsseldorf oder ein großes Wandrelief am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen.

 

Norbert Kricke: Raumplastik "Hornisse", 1955/56

Norbert Kricke: Raumplastik Hornisse, 1955/56, Foto: Jürgen Diemer

 

Mit Jean Tinguely (1925-1991) erhielt 1976 ein Künstler den Preis, der das Moment der Bewegung in seine Arbeiten aufnahm. Die aus Eisenteilen, Schrott und weiteren Materialien zusammengebauten Konstruktionen sind zumeist fröhlich-ironische Maschinerien, die mehr oder weniger laut scheppernd den Betrachter in ihren Bann ziehen. Sie stehen gegen alle anderen bildhauerisch verwendeten Materialien und Prinzipien, wirken ebenso subversiv wie unterhaltend. Tinguelys Arbeiten stellen einen einzigartigen Beitrag zur Kunst dar. Das Lehmbruck Museum zeigt „Das kleine Männchen“ (1981) und das „Märchenrelief“ (1978) in seiner Dauerausstellung.

Objekte des Alltags in ungewöhnlichen Proportionen und Kombinationen gehören zum Werk von Claes Oldenburg (*1929) dem der Wilhelm-Lehmbruck-Preis 1981 verliehen wurde. Berühmt wurde er unter anderem durch die Skulpturen überdimensionierter Werkzeuge wie seiner 12 Meter hohen Spitzhacke für die Documenta 7 in Kassel oder der mehr als zehn Meter hoch flatternden Krawatte vor einem Wolkenkratzer in Frankfurt, einer Persiflage auf die im Hochhaus arbeitenden, stets korrekt gekleideten Büromenschen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 arbeitete Oldenburg mit seiner Frau Coosje van Bruggen gemeinsam an großen Projekten. Für das Lehmbruck Museum entwarf er „Tools of the Trade – Project for Duisburg“, das als Intervention am Neubau gedacht war. Ein Modell der Skulptur befindet sich in der Sammlung des Museums.

Joseph Beuys (1921-1986) erhielt den Wilhelm-Lehmbruck-Preis 1986. Mit dem Begriff der „Sozialen Plastik“ führte er eine neue Kategorie in die Kunst ein, die seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Humanismus, der Sozialphilosophie und der Antroposophie entstammte. Dies führte zum durch Beuys formulierten „erweiterten Kunstbegriff“, mit dem er ab Ende der 1970er-Jahre ein demokratisch-kreatives Mitgestalten an der Gesellschaft und Politik durch alle Menschen forderte. In seiner Rede offenbarte er zur Überraschung aller Anwesenden seine enge Verbundenheit mit dem Werk Wilhelm Lehmbrucks. In der Sammlung des Hauses befindet sich die Installation „Raum 90 000 DM“, aus  dem Jahre 1981.

Stahl ist eine der bevorzugten Materialien des amerikanischen Bildhauers Richard Serra (*1939), dem 1991 der Wilhelm-Lehmbruck-Preis verliehen wurde. Er verwendet in der Regel den nur an der Oberfläche edel rostenden Cortenstahl, der seinen Werken eine besondere Aura verleiht. Ein oftmals riskant wirkendes Spiel mit ausbalancierten monumentalen Flächen ist eines der Hauptmerkmale seiner Arbeit. Dabei entstanden Objekte mit immensen Ausmaßen wie etwa „The matter of Time“, für die eigens ein 130 Meter langer und 30 Meter breiter Saal im Guggenheim Museum in Bilbao geschaffen wurde. Diese mal mehr, mal weniger schwungvoll gebogenen riesigen Stahlplatten rufen im vor ihnen stehenden oder durch sie wandelnden Betrachter ein völlig neues Raumgefühl hervor.

 

Richard Serra: Weitmar, 1984

Richard Serra: Weitmar, 1984 © VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto: Werner Hannappel

 

In den 1970er Jahren verließen eine Reihe von Künstlern ihre Ateliers und nutzten die freie Landschaft zu Schaffung von oft temporären und meist schwer erreichbaren Interventionen. Dem Hauptvertreter der so entstandenen sogenannten Land Art, Richard Long (*1945), wurde 1996 der Wilhelm-Lehmbruck-Preis verliehen. Er unternahm Wanderungen in fast allen Teilen der Welt und hielt seine Eindrücke von der Landschaft und seine vor Ort geschaffenen Stein- und Holzskulpturen fotografisch und in Texten fest. Aus gesammelten Steinen oder auch Schwemmhölzern hat er in Museen und Galerien geometrische Formen ausgelegt, die stellvertretend für die in der Landschaft geschaffenen Werke stehen. Im Rahmen der zum Preis gehörenden Ausstellung schuf Richard Long den „River Avon Mud Circle“ aus getrocknetem Schlamm, den er mit seinen Händen über dem farbigen Kreis aufbrachte und der seitdem an einer Wand im Neubau des Lehmbruck Museums zu finden ist.

Technisch komplex und auf dem neuesten Stand der elektronischen Medien waren die Werke des koreanischen Künstlers Nam June Paik (1932–2006). Seit 1960 arbeitete er mit elektronischer Musik, experimentierte später mit Fernsehbildern und baute kleine Musikobjekte, die er in einfache Aktionen einbezog. Als erster Künstler begann er ab 1965 mit Videos zu arbeiten, die er als damals ganz neues Medium überaus flexibel und differenziert in seine Installationen einbaute. Von dem 2001 mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis ausgezeichneten Künstler befindet sich die Arbeit „TV-Buddha“ (1997) in der Sammlung des Hauses.

Weich/hart, hell/dunkel, leicht/schwer, entspannt/gespannt sind Begriffspaare, mit denen Reiner Ruthenbeck (1937–2016) seine Werke beschreibt, für die er 2006 mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis ausgezeichnet wurde. Mit schwarzen und weinroten Stoffen fertigte er Objekte, die einen ganz neuen Aspekt in die plastische Welt einbrachten: So hängt er Platten, Glasscheiben oder Sand mithilfe von Säcken, an Schaukeln erinnernden oder wie Taschen genähten Behältnissen frei in den Raum oder an die Wand. Das Werk „Aufhängung V“ (1969–1970) ist eine sehr typische Arbeit für den Künstler und Teil der Sammlung des Lehmbruck Museums.

Nach einer Unterbrechung von elf Jahren erhielt Rebecca Horn (*1944) im Jahr 2017 den Wilhelm-Lehmbruck-Preis. Damit wurde nach mehr als 50 Jahren erstmals eine Künstlerin geehrt. Die Auszeichnung wurde Rebecca Horn für ihr Lebenswerk verliehen, mit dem sie die Skulptur des 20. und 21. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat. Als Bildhauerin, Zeichnerin, Literatin, Filmemacherin, Video-, Installations- und Performancekünstlerin hat Rebecca Horn in den letzten Jahrzehnten ein umfassendes, in sich stimmiges Werk geschaffen, das eine eigene Poesie des Mechanischen entwirft.

Durch die großzügige Förderung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) konnte bereits 2020, nur drei Jahre nach der letzten Preisverleihung, das kanadische Künstlerpaar Janet Cardiff (*1957) und George Bures Miller (*1960) mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis ausgezeichnet werden. Mit ihrem multimedialen Werk haben sie ein ganzes Genre geprägt, das verschiedene Gattungen wie Theater, Kino, Musik, Klangkunst und Hörspiel berührt und der Skulptur des 20. und 21. Jahrhunderts neue Dimensionen eröffnet. Sie schaffen suggestive Räume, in denen die fast geisterhafte Anwesenheit des Nichtgreifbaren, eine körperliche Präsenz schafft, die eine neue Idee von Skulptur entstehen lässt.